Kirchengut

Kirchengut
1. Kirchengut bringt weder Blüte noch Früchte.
Es versteht sich, dass alle die Sprichwörter, welche Kirchen- und Pfaffengut als ein Rührmichnichtan betrachten, von Priestern in der Absicht erfunden worden sind, um von der Erwerbung von Kirchengütern abzuschrecken; was zwar im allgemeinen, aber nicht durchgehends gelungen ist. Die Geschichte beweist, dass schon sehr oft Kirchengüter eingezogen und für nützlichen Zweck verwandt worden sind und dass sie gerade erst dann, wenn sie in weltliche Hände gekommen sind, angefangen haben, Früchte zu bringen. Aus neuerer Zeit sei nur an den Verkauf derselben in Spanien (1856) erinnert.
2. Kirchengut faselt (gedeiht, wudelt) nicht.Eiselein, 377.
Zu den verschiedenen Aussprüchen zum Schutz der Kirche haben gewiss die Geistlichen einen und den andern beigetragen oder sie alle hervorgerufen; denn sie betrachten ihre Güter stets als Kirchengüter mit. Ueber diejenigen, welche Kirchen- und Klostergüter veräussern würden, sprach man im Mittelalter gewöhnlich in der Schenkungsurkunde den Fluch aus: »Wer meinen Willen nicht halten wird, der soll verflucht sein, und der damit einstimmen wird, ebenfalls. Wie Datham und Abiram soll er lebendig von der Erde verschlungen werden und zur Hölle fahren. Verzeihung seiner Sünden soll er erst dann erhalten, wenn der Teufel sie für die seinigen erhalten wird.« Man glaubte aber später nicht besonders an die Folgen dieser Flüche, wie Joseph II. von Oesterreich und Max I. von Baiern beweisen, welche eine grosse Anzahl Klöster aufgehoben haben.
Engl.: King Henry robbed the church and died poor. (Bohn II, 11; Gaal, 1015.)
Frz.: Bien d'Église n'enrichit pas. (Cahier, 606.)
Lat.: Tolosanum aurum. (Philippi, II, 221.)
3. Kirchengut hat Adlersfedern.Blum, 86; Pistor., VI, 29; Eisenhart, 192; Sutor, 349; Hillebrand, 45, 61; Eiselein, 379; Simrock, 5681; Braun, I, 1856.
Gedeiht nicht, bringt keinen Segen, verzehrt das andere mit. Wahrscheinlich liegt diesem Sprichwort die Fabel vom Adler zum Grunde, der vom Altar das Opferfleisch raubte, nicht wissend, dass er eine glühende Kohle mit davonführe, die sein Nest in Brand setzte und ihn,
sein Nest nebst den Jungen verzehrte.
4. Kirchengut hat Adlersklauen.Körte, 3409; Simrock, 5681; Hillebrand, 45, 60; Graf, 543, 46; Braun, I, 1856.
5. Kirchengut hat eiserne Zähne, frisst eines mit dem andern hin und bringt dem dritten Erben keinen Gewinn.Sutor, 350; Pistor., VI, 29; Blum, 88; Eisenhart, 191; Hertius, II, 19; Sailer, 254; Hillebrand, 44, 59; Eiselein, 377; Simrock, 5680; Graf, 543, 47-48; Körte, 3409.
Unverletzbarkeit der Kirchengüter. Oder man will durch das Sprichwort anzeigen, dass diejenigen Güter, welche einmal als Eigenthum der Kirche zugefallen sind, nicht wieder zurück zu erlangen sein sollen. Sie halte dieselben fest. Dies der Sinn des Bildes »eiserne Zähne«; diese aber haben zu dem Verbot Veranlassung gegeben, kraft dessen die Kirchen nicht nur in evangelischen, sondern auch in verschiedenen katholischen Ländern der Erwerbung unbeweglicher Güter für unfähig erklärt worden sind. Die neuere Zeit hat übrigens (Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien) gezeigt, dass sie mit den eisernen Zähnen fertig zu werden weiss.
Frz.: Qui hume le tronc du moustier est tout au diable luy et les siens. (Leroux, I, 10.)
Holl.: Kerkegoed heeft ejzerne tanden. (Harrebomée, I, 394a.)
Lat.: Quod divini juris est, id nullius in bonis est. (Binder II, 2871; Faselius, 220; Wiegand, 379.)
6. Kirchengut ist armer Menschen.Graf, 543, 56; Hug, 28.
Daher sollten nach älterer Gewohnheit die Einkünfte in drei, nach neuerer in vier gleichen Theilen der Geistlichkeit, den Kirchengebäuden, dem Bischof und den Armen zugewendet werden.
7. Kirchengut kommt nicht auf den dritten Erben.Gaal, 1015; Sutor, 349; Blum, 87; Pistor., VI, 26; Hillebrand, 46, 62; Graf, 543, 49; Simrock, 5682.
Drückt aus, dass das Vermögen der Kirche nicht auf dritte Personen zu kommen pflege. Nach älterm katholischen Kirchenrecht fiel, was ein Geistlicher aus geistlichen Einkünften erworben, bei seinem Tode an die Kirche zurück und er konnte blos über das aus Schenkung und Erbrecht erlangte Vermögen verfügen. Jetzt beerbt die Kirche nur dann einen Geistlichen, wenn er keine erbberechtigten Verwandten besitzt.
8. Kirchengut zerfliesst wie Salz, wenn's im Wasser ist. (Poln.)
Nach den Lehren der Kirche nämlich, wenn es weltliche Hände an sich gebracht haben.

Deutsches Sprichwörter-Lexikon . 2015.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Kirchengut — Kirchengut, s. Kirchenvermögen …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Kirchengut — Kịr|chen|gut 〈n. 12u〉 der Kirche gehöriger Besitz an Land u. Vermögen * * * Kirchengut,   das Kirchenvermögen. * * * Kịr|chen|gut, das: Vermögen der ↑Kirche (4) an Grundbesitz, Gebäuden o. Ä …   Universal-Lexikon

  • Kirchengut, das — Das Kirchengut, des es, plur. die güter, ein jedes Gut, welches einer Kirche, und zum Behufe des öffentlichen Gottesdienstes gewidmet ist …   Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart

  • Kirchengut — Als Kirchengüter (Bona ecclesiastica), in einigen Fällen auch Klostergüter, bezeichnet man die im Besitz der Kirche und der mit ihr verbundenen Institutionen befindlichen Vermögensobjekte. Man teilt sie ein in Stiftungsgüter (Dos), mit denen die… …   Deutsch Wikipedia

  • Römisch-Katholische Kirche — Römisch Katholische Kirche. Schon in den ersten christlichen Jahrhunderten sprachen die Kirchenväter von einer Katholischen Kirche u. dachten sich darunter im Gegensatz zu den häretischen Richtungen die große, allgemeine, auf den apostolischen… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Einführung der Reformation in Herford — Die Einführung der Reformation in Herford verlief aufgrund der Reichsunmittelbarkeit der Stadt anders als in den umliegenden Territorien. In Herford bestimmte kein Landesherr über die Konfession der Stadt. Auch kam die Reformation nicht über… …   Deutsch Wikipedia

  • Frankfurter Anstand — Im so genannten Frankfurter Anstand von 1539 wurde der Nürnberger Anstand von 1532 bekräftigt, der den Status quo zwischen Protestanten und Katholiken im Reich sichern sollte. Aufgrund einer drohenden protestantischen antihabsburgischen Koalition …   Deutsch Wikipedia

  • Fürstenschule St. Afra — Sächsisches Landesgymnasium Sankt Afra Frontansicht des Schulgebäudes Schultyp Gymnasium mit Internat für mehrfach Hochbegabte Gründung …   Deutsch Wikipedia

  • Heinrich I. (Ostfrankenreich) — Bild Heinrichs I. in der anonymen Kaiserchronik für Kaiser Heinrich V., um 1112/14 Heinrich I. (* um 876; † 2. Juli 936 in der Pfalz Memleben bei Memleben an der Unstrut) aus dem Adelsgeschlecht der Liudolfinger war ab 912 Herzog von …   Deutsch Wikipedia

  • Heinrich II. (HRR) — Das Krönungsbild aus dem Regensburger Sakramentar: Die heiliggesprochenen Bischöfe Ulrich von Augsburg und Emmeram von Regensburg haben Heinrich vor den Thron des Höchsten geleitet. Die hohe Gestalt des Herrschers reicht bis in die Mandorla… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”